Was im Tier blickt uns an?

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Die Junge Akademie
Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 23.10.05

Jardin des Plantes, Paris. Der alte Mann und der Junge schauen dem Panther lange zu. "Ein so starkes Tier – und kann nicht raus." "Ja", murmelt der Alte und beginnt, leise aufzusagen:

"Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im Herzen auf zu sein."

"Der guckt wirklich ziemlich traurig", meint der Junge. "Ja", erwidert der Alte, "und Tiere schauen uns eben auch an." Der Junge wird nachdenklich: "Was mögen die dann denken und fühlen? In Deinem Gedicht geht ein Bild in den Panther, hört aber im Herz auf zu sein. Das finde ich irgendwie komisch. Der Panther schaut uns auch an, stimmt. Aber dann hört da doch nichts auf zu sein! In dem geht bestimmt auch etwas vor". Der Alte schweigt. Nach einer Weile sagt er: "Das genau ist die Frage: Was im Tier blickt uns an?"

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