Meinung – die komplizierte Freundin

Issue #13

Magazine

Karin Hofstetter, Jürgen Hädrich, Tobias Jentsch, Sabine Koller, Cornelis Menke, Klaus Oschema, Melanie Schnell (Hrsg.)
23.01.11

Die Schlange, welche sich nicht häuten kann, geht zugrunde. Ebenso die Geister, welche man verhindert, ihre Meinungen zu wechseln; sie hören auf, Geist zu sein.

Friedrich Nietzsche, Werke II – Morgenröte

Die Junge Akademie wandelt sich im Januar 2011 vom Status eines Projektes der beiden Trägerakademien BBAW und Leopoldina zu einer Institution. Damit ist das Projekt verstetigt, und die Junge Akademie wird eine feste Größe im Wissenschaftsbereich. Zeit für eine ideologische Nabelschau? Eher nicht. Nicht nur, weil dem Nachwuchs die Zeit fehlt, weil er fleißig im Hamsterrad des akademischen Betriebs läuft, sondern weil die Junge Akademie durch ihre Mitglieder lebt, deren Zusammensetzung sich im Fünf-Jahres-Rhythmus jeweils komplett erneuert. Was die Junge Akademie ausmacht, bestimmen die, die gerade Mitglieder sind – und das ändert sich jährlich. So hat sich einiges gewandelt seit dem Beginn der Projektförderphase vor zehn Jahren, aber auch Altbewährtes wurde erhalten. Langbewährtes wie die Preisfrage (S.4) fand 2010 zum letzen Mal statt, Nachfolger fand sie in neuen Projekten an der Schnittstelle zur Gesellschaft wie „Junge Akademie macht Schule“ (S.20) sowie im Projekt „UniGestalten!“.

Im Wesentlichen haben sich die Strukturen, die sich die Gründungsmitglieder der Jungen Akademie gaben, erhalten, weil sie sich bewährt haben. Nach wie vor treffen sich die Mitglieder mehrmals jährlich auf Plenarsitzungen und veranstalten pro Jahr eine Ideenwerkstatt. Unsere Arbeit organisieren wir nach wie vor in Arbeitsgruppen – wie fruchtbar diese Arbeit jüngst war, zeigen die Berichte der AG Grenzen der Quantentheorie (S. 21) und der AG Klang(welten) (S. 22). Die Aktivitäten in den Arbeitsgruppen sind vorwiegend wissenschaftlichen Problemen verpflichtet, die genuin interdisziplinär formuliert sind oder interdisziplinär behandelt werden.

Mit Blick auf den Eingangsaphorismus, der auf das Titelthema dieses Heftes anspielt, hilft diese einzigartige fächerübergreifende Perspektive, die eigene Meinung im Austausch mit Anderen zu hinterfragen. So bietet die Junge Akademie weit mehr als Nachwuchsförderung. Sie bietet den Raum, eigene Meinungen jenseits des wissenschaftlichen Alltags zu entwickeln und im interdisziplinären Diskurs zu hinterfragen – und dies ohne die sonst so häufig vorzufindende Verwässerung und Weichspülung interdisziplinärer Aussagen bis hin zu einem Konsens, der kaum mehr das Niveau eines Feuilleton-Artikels hat. In der Jungen Akademie bleibt oft der Dissens, aber einer, wie ihn Ernst Jandl beschreibt: „Unsere Ansichten gehen als Freunde auseinander.“

Meinungen über hochschulpolitische Themen wurden in den vergangenen zehn Jahren immer wieder in Form von Thesenpapieren artikuliert. Auch diese Tradition hat die Zeit überdauert, wie das jüngste Thesenpapier zur DFG-Neuregelung in Begutachtungen sowie die Forderung nach Änderungen im Berufungsverfahren zeigt.

Es ist sehr schön, dass das, was uns zu einer Akademie und gleichzeitig zu einer jungen macht, nun Institution geworden ist. Und so bleibt die Junge Akademie bei dem freundschaftlichen Dissens – und manch einer kommt in einem hitzigen Diskurs über Disziplingrenzen hinweg zu der Einsicht von Michael Ritter: „Manchmal hilft es, statt der Meinung sich die Beine zu vertreten.“

Rafaela Hillerbrand

Sprecherin des Vorstands

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